Mittwoch, 26. November 2008

Keine Sanktion bei Ablehnung ungenau beschriebener und unzumutbarer Arbeitsgelegenheit

Das LSG Berlin-Brandenburg hat entschieden, dass das Jobcenter / ARGE in einem Vermittlungsvorschlag für eine Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung (MAE) die Tätigkeit genau beschreiben muss. Die Bestimmung von Ort, Art und zeitlicher Ausgestaltung der Arbeit darf nicht erst von dem Maßnahmenträger vor Ort festgelegt werden. Wird ein zu unbestimmter Vermittlungsvorschlag abgelehnt, darf das nicht zu einer Sanktion nach § 31 SGB II (Leistungskürzung um 30% oder mehr) führen.

Außerdem darf keine Arbeitsgelegenheit "angeboten" werden, die aus Gesundheitsgründen unzumutbar ist. Eine Leistungskürzung nach § 31 SGB II wegen der Ablehnung einer die Gesundheit gefährdenden Tätigkeit ist ebenfalls rechtswidrig.

In dem Fall war es wegen der selben, unzumutbaren MAE bereits zu einer Kette von Kürzungen gekommen, so dass der Antragsteller gar keine Leistungen mehr bekam. Dabei war der Mittfünfziger schwer krank und zu der angebotene Tätigkeit als Hausmeisterghilfe nicht in der Lage, was offenbar schon nach Aktenlage erkennbar hätte sein müssen.

Das Landessozialgericht ordnete an, dass die Widersprüche gegen die Sanktionsbescheide aufschiebende Wirkung haben, so dass wieder die vollen Leistungen gezahlt wurden. Bemerkenswert ist auch, dass das Sozialgericht Frankfurt/Oder in der ersten Instanz für die ARGE entschieden hatte.

LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14.03.2008, Az. L 10 B 445/08 AS ER

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Freitag, 14. November 2008

BSG: Zuschuss für Klassenfahrt

Das Bundessozialgericht hat in einem Berliner Fall entschieden, dass das Jobcenter die Kosten für eine mehrtägige Klassenfahrt in voller Höhe übernehmen muss. Nach Ansicht des höchsten Sozialgerichts ist das Gesetz in § 23 Abs. 3 Nr. 3 SGB II eindeutig und verpflichtet das Jobcenter zur Bezahlung der tatsächlichen Kosten. Ein Pauschalbetrag reicht daher nicht aus. Im Sozialhilferecht sei die Regelung des § 31 SGB XII genau so zu verstehen.

Bundessozialgericht, Urteil vom 13.11.2008, Az. B 14 AS 36/07 R
Vorinstanz: SG Berlin - S 103 AS 7827/07-

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Mittwoch, 22. Oktober 2008

SG Berlin: Hartz IV für selbständige EU-Bürger

Das Sozialgericht Berlin verpflichtete das zuständige JobCenter im Rahmen einer einstweiligen Anordnung , einer spanischen Staatsangehörigen bis zur endgültigen Entscheidung über den anhängigen Widerspruch Leistungen nach SGB II zu bewilligen. Das zuständige JobCenter vertrat die Ansicht, dass EU-Bürger, die einer selbständigen Tätigkeit in Deutschland nachgehen, keinen Anspruch auf Hartz IV hätten. Dem widersprach das Sozialgericht und stellte klar, dass die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit Ausdruck der Niederlassungsfreiheit ist. Selbst wenn die Einnahmen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht ausreichen würden, so sei dies unbeachtlich. Schließlich sei der Ausschluss des § 7 Abs. 1 S.2 SGB II nur auf Ausländer bezogen, die sich ausschließlich zur Arbeitssuche in Deutschland aufhalten würden. Dies sei bei einer selbständigen Tätigkeit nicht der Fall.

Schlagwörter: EU-Bürger, Hartz IV, Ausschluss, Niederlassungsfreiheit
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SG Berlin: S 82 AS 27550/08 ER

Dienstag, 9. September 2008

Kindergeld und Pauschalbetrag von 30 €

Kindergeld und Pauschalbetrag von 30 €

Ein minderjähriges Kind im Haushalt, dass seinen sozialhilferechtlichen Bedarf durch Unterhaltszahlungen und Kindergeld abdeckt, ist nicht Mitglied der Bedarfsgemeinschaft seiner Eltern. Wenn nach Deckung des Bedarfs noch Kindergeld übrig bleibt, zählt der überschüssige Teil als Einkommen der Eltern und wird bei ihnen bei der Berechnung der Leistungen nach dem SGB II berücksichtigt. Dabei muss aber der Pauschalbetrag nach § 3 Nr. 1 Alg II-V in Höhe von € 30,- abgezogen werden.

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28.02.2008, Az. L 25 AS 946/06

Rechtsanwalt Joachim Genge
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Freitag, 28. März 2008

Prozesskostenhilfe bei Hartz IV

Tipps für Hartz IV –Empfänger:

Viele Hartz IV- Leistungsempfänger scheuen den Weg zu den Gerichten, weil sie die Kosten eines Rechtsanwaltes fürchten. Dieses Risiko besteht aber dann nicht, wenn dem Kläger Prozesskostenhilfe bewilligt wird. In diesem Fall übernimmt die Landeskasse die Vergütung des Rechtsanwalts.

Sofern Ihr Widerspruch gegen einen Hartz IV-Bescheid Ihres zuständigen JobCenters zurückgewiesen worden ist, müssen Sie innerhalb der Klagefrist von einem Monat ab Zugang des Widerspruchbescheides bei der Rechtsantragstelle Ihres zuständigen Sozialgerichts vorsprechen und dort gegen den ursprünglichen Bescheid und den dazugehörigen Widerspruchsbescheid Klage erheben. Gleichzeitig stellen Sie einen Antrag auf Prozesskostenhilfe und benennen einen Rechtsanwalt ihres Vertrauens. Hierzu müssen Sie das entsprechende Antragsformular ausfüllen und die entsprechenden Belege , wie Ihren Hartz IV- Bescheid vorlegen. Sofern das Gericht nach Einsicht in Ihre Leistungsakte zu der Ansicht gelangt, dass Ihre Klage Aussichten auf Erfolg hat, wird es den von Ihnen benannten Rechtsanwalt beiordnen. In diesem Fall übernimmt die Landeskasse die Kosten des Rechtsanwalts. So vermeiden Sie als Hartz IV- Empfänger das Kostenrisiko eines Rechtsanwalts und sind optimal vor dem Sozialgericht vertreten. Gerne stehe ich Ihnen hierzu zur Verfügung.

RA Jens Christian Göke, LL.M.





Mittwoch, 12. März 2008

LSG Berlin-Brandenburg zum Hartz IV - Bezug für Auszubildende

Auszubildende, deren Ausbildung an sich nach dem BAföG oder dem SGB III gefördert werden kann, haben grundsätzlich keinen Anspruch auf Hartz IV Leistungen, auch wenn sie aus persönlichen Gründen tatsächlich keine Ausbildungsförderung bekommen (§ 7 Abs. 5 SGB II). In bestimmten Ausnahmefällen bekommen Auszubildende aber trotzdem Leistungen nach dem SGB II (§ 7 Abs. 6 SGB II).

Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg hatte jüngst in einem Fall über die Auslegung dieser Ausnahmeregelungen zu entscheiden. Die Antragstellerin hatte ihr Hochschulstudium nach 12 Semestern abgebrochen und dann ein Studium an einer staatlichen Fachschule für Sozialpädagogik begonnen. Der Antrag auf BAföG-Leistungen wurde abgelehnt, weil für den Abbruch des vorherigen Hochschulstudiums kein wichtiger Grund vorlegen habe. Der Antrag auf Arbeitslosengeld II wurde ebenfalls abgelehnt, weil die Antragstellerin wegen § 7 Abs. 5 SGB II vom Hartz IV Bezug ausgeschlossen sei.
Das Landessozialgericht stellt in seinem Beschluss klar, dass die Ausnahmereglung in § 7 Abs. 6 Nr. 1 SGB II nur Schüler begünstigt, die eine allgemein bildende Schule besuchen, die bei ihren Eltern wohnen oder wohnen könnten und deshalb keine Förderung nach dem BAföG erhalten. Diese Schüler haben Anspruch auf ergänzende Hartz IV Leistungen. Alle anderen Ausbildungsgänge, insbesondere solche, die einen berufsqualifizierenden Abschluss vermitteln, sind von der Ausnahme nicht erfasst. Das Gericht stellt auch klar, dass ein Ausnahmefall nach § 7 Abs. 6 Nr. 2 SGB II nur dann vorliegt, wenn man tatsächlich den niedrigen Bedarfssatz in Höhe von € 192,- nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 BAföG erhält, der zur Bedarfsdeckung nicht ausreicht. Nach Ansicht des Gerichts war bei der Antragstellerin auch kein Fall der besonderen Härte nach § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II gegeben, wonach die Gewährung von SGB II Leistungen als Darlehen möglich gewesen wäre.
Im Ergebnis erhält die Antragstellerin also keine öffentliche Förderung für ihr neues Studium an der staatlichen Fachschule und auch kein Arbeitslosengeld II, solange sie dort studiert.

LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.01.2008, L 26 B 60/08 AS ER

RA Joachim Genge
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Dienstag, 4. März 2008

BSG zu Kosten der Unterkunft im Hartz IV- Bezug

Bezieht die Tochter eines Hartz IV – Empfänger BaföG-Leistungen, so ist die Arge berechtigt, die Kosten der Unterkunft (KdU) nach Kopfteilen aufzuteilen.

Der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 27. Februar 2008 lag folgender Sachverhalt zu Grunde. Die Klägerin bewohnte gemeinsam mit ihrer volljährigen Tochter eine 98 qm große Wohnung. Bis zur Aufnahme des Studiums durch die Tochter im Oktober 2005 wurden die Kosten der Unterkunft beiden je zur Hälfte zugeordnet. Da die Tochter von nun an Bafög- Leistungen in Höhe von 377,00 € erhielt und somit nicht mehr Mitglied der Bedarfsgemeinschaft war, verlangte die Klägerin eine Erhöhung der KdU. Dies lehnte die Beklagte ab; sie übernahm weiterhin nur die Hälfte der Kosten. Das SG hat die Klage abgewiesen; die Berufung blieb ohne Erfolg. Der 14. Senat wies die Revision hinsichtlich der KdU zurück. Die beklagte Arge hat der Klägerin zu Recht nur die Hälfte der Unterkunftskosten bewilligt. Obwohl die Tochter nicht Mitglied der Bedarfsgemeinschaft war, wurde sie zu Recht bei der Aufteilung der Unterkunftskosten berücksichtigt. Das Argument der Klägerin, die BaföG-Leistungen der Tochter berücksichtigen nicht einen entsprechenden Bedarf für die Kosten der Unterkunft, wurde vom Senat abgelehnt. Eine Abweichung vom Grundsatz der Aufteilung nach Kopfteilen sei auch nicht wegen einer bei vorhandener Leistungsfähigkeit bestehender Unterhaltspflicht der Klägerin gegenüber ihrer Tochter geboten. Das System des SGB II lässt es nicht zu, Unterkunftskosten für Dritte (hier die nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehörende Tochter) geltend zu machen, auch wenn diesen gegenüber bei vorhandener Leistungsfähigkeit eine Unterhaltspflicht bestünde.

B 14/11b AS 55/06 R - W. F. ./. ARGE für Beschäftigung Augsburg Stadt Augsburg

Schlagwörter: Hartz IV, Bedarfsgemeinschaft, JobCenter, ARGE, BaföG, Kosten der Unterkunft

RA Jens Christian Göke, LL.M.

Sonntag, 17. Februar 2008

LSG Berlin Brandenburg zum Hartz IV Anspruch für EU-Bürger

Das Recht Hartz IV zu beziehen, ist für Staatsangehörige von EU-Mitgliedstaaten an die Bedingung geknüpft, dass sie sich nicht ausschließlich nur zur Arbeitssuche in Deutschland aufhalten ( § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II). Zusätzlich zu dieser Voraussetzung müssen Staatsangehörige der neuen EU-Mitgliedstaaten (Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn und Zypern) eine Erlaubnis zur Aufnahme einer Beschäftigung vorlegen.

Hierzu entschied jüngst das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg über die Leistungsberechtigung einer Tschechin, deren Antrag auf ALG II Leistungen abgelehnt wurde.
Nach §§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 8 Abs. 2 SGB II sind Ausländer nur dann erwerbsfähig, wenn sie überhaupt erwerbstätig sein können, d.h. ihnen die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt ist oder erlaubt werden könnte. Dies aber war bei der Antragstellerin nicht der Fall. Sie war Tschechin. In diesem Fall bestimmt § 13 Freizügigkeitsgesetz/EU ausdrücklich, dass die Beschäftigung durch die Bundesagentur für Arbeit gemäß § 284 Abs. 1 SGB III genehmigt werden muss. Das Recht auf Freizügigkeit kann gegenüber den Staatsangehörigen der neuen Mitgliedsstaaten – mit Ausnahme der Staatsangehörigen Maltas und Zyperns – beschränkt werden. Hiervon hat die Bundesrepublik Deutschland nach derzeitigem Stand bis zum 30. April 2009 Gebrauch gemacht. Die Genehmigung setzt voraus, dass ansonsten keine vermittlungsfähigen Arbeitnehmer zur Verfügung stehen (§ 39 Abs. 2 Nr. 1b) Aufenthaltsgesetz), was bei einer offenbar Ungelernten wie der Antragstellerin im vorliegenden Fall und einer hohen Arbeitslosigkeit in Deutschland gerade bei den Geringqualifizierten auszuschließen ist.

LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20.12.2007, L 5 B 2073/07 AS ER; L 5 B 2092/07 AS P

Jens Christian Göke, LL.M.
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