Freitag, 24. Juli 2009

Unionsbürger haben Anspruch auf Leistungen auch bei einer geringfügigen Beschäftigung

Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg hat in einer weiteren Entscheidung zu dem Dauerbrenner "Unionsbürger und Hartz IV" einen genaueren Blick auf die Frage geworfen, ab wann ein geringfügig Beschäftigter als "Arbeitnehmer" im Sinne des Euoparechts und der Freizügigkeits-Regelungen gilt und daher nicht als "Arbeitssuchender" von Hartz IV Leistungen ausgeschlossen ist.

Die Antragstellerin ist polnische Staatsbürgerin und unstrittig erwerbsfähig. Sie hat abgesehen von den Einkünften aus einer Teilzeitbeschäftigung als Reinigungskraft kein Einkommen oder Vermögen.

Das Jobcenter hatte die Gewährung von Grundsicherungsleistungen abgelehnt, weil Antragstellerin nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr 2 des SGB II von diesen Leistungen ausgeschlossen sei. Ihr Aufenthaltsrecht ergebe sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche. Das Sozialgericht Berlin hat den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit der Begründung abgelehnt, die Antragstellerin sei nicht erwerbsfähig, da ihr die Aufnahme von Arbeit nicht erlaubt sei und nicht erlaubt werden könne.

Das LSG Berlin-Brandenburg hat den negativen Beschluss aufgehoben und das Jobcenter zur vorläufigen Zahlung von Hartz IV Leistungen verpflichtet.

Zur Begründung führt es aus, dass § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II diejenigen Ausländer ausschließe, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergebe. Dies treffe auf die Antragstellerin nicht mehr zu, auch wenn zur Arbeitssuche eingereist sein sollte, denn sie sei aufgrund ihrer Beschäftigung Arbeitnehmerin, für die ein Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU bestehe.

Der Arbeitnehmerbegriff des § 2 Abs 1, 2 FreizügG/EU sei europarechtlich bestimmt, da die Norm zum Inhalt hat, die den gemeinschaftsrechtlich begründeten Freizügigkeitsrechten entsprechende nationale Regelung zu schaffen. Arbeitnehmer iSv Artikel 39 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV), der VO 1612/68 bzw der Richtlinie 2004/38/EG sei eine Person, die eine Tätigkeit in einem Lohn- oder Gehaltsverhältnis ausübe. Der Begriff sei nicht eng auszulegen. Fraglich sei nur, ob eine geringfügige Beschäftigung wie hier ausreiche.

Der 10. Senat untersucht dann die Rechtsprechung zu den Mindestanforderungen an die Arbeitszeit und kommt zu dem Ergebnis, dass eine Tätigkeit von sieben Wochenstunden gegen ein wohl nicht als unüblich zu bewertendes Entgelt wie hier jedenfalls ausreicht, zumal wenn die Beschäftigung bereits für einen längeren Zeitraum „stabil“ ausgeübt wird.

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, 10. Senat, Beschluss vom 08.06.2009,
Az. L 10 AS 617/09 B ER


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