Freitag, 31. Juli 2009

Erforderlichkeit des Umzuges; vorläufige Zusicherung

Ein Umzug ist im Sinne des § 22 Abs. 2 S. 2 SGB II erforderlich, wenn der Wunsch nach einer eigenen Wohnung einen plausiblen, nachvollziehbaren und verständlichen Grund darstellt, der auch einen Nichthilfeempfänger zu einem Umzug bewegen würde. Die Notwendigkeit eines Umzuges ist nach Überzeugung des LSG Berlin-Brandenburg hier hinreichend dargelegt worden. Ein Hobbyraum im Keller ohne ausreichende natürliche Beleuchtung ist kein geeigneter Wohnraum (vgl. die Anforderungen an allgemein Aufenthaltsräume in § 48 Abs. 1 Bauordnung Berlin und speziell an Wohnräume im Hinblick auf Belichtung und Belüftung (§ 4 Abs. 2 Nr. 7 Gesetz zur Beseitigung von Wohnungsmissständen in Berlin). Daher lagen hier bereits nach der für das Jobcenter zu beachtenden Nr. 7 Abs. 5 f der Ausführungsvorschriften zur Gewährung von Leistungen gemäß § 22 SGB II und §§ 29 und 34 SGB XII (AV-Wohnen) vom 10. Februar 2009 unzumutbare Wohnverhältnisse vor.

Im Einzelfall, hier wenn das Jobcenter alle früheren Wohnungsangebote abgelehnt hatte, der Verlust des aktuellen Angebots droht und der Vermieter mit einer Verpflichtung über das Eilverfahren im Rücken zum Vertragsabschluss bereit wäre, kann ein Anspruch auf vorläufige Verpflichtung zur Abgabe einer Zusicherung nach § 22 Abs. 2 S. 1 Sozialgesetzbuch 2 (SGB II) durch das Jobcenter im gerichtlichen Eilverfahren bestehen.


Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 06.05.2009, L 32 AS 612/09 B ER

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Freitag, 24. Juli 2009

Unionsbürger haben Anspruch auf Leistungen auch bei einer geringfügigen Beschäftigung

Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg hat in einer weiteren Entscheidung zu dem Dauerbrenner "Unionsbürger und Hartz IV" einen genaueren Blick auf die Frage geworfen, ab wann ein geringfügig Beschäftigter als "Arbeitnehmer" im Sinne des Euoparechts und der Freizügigkeits-Regelungen gilt und daher nicht als "Arbeitssuchender" von Hartz IV Leistungen ausgeschlossen ist.

Die Antragstellerin ist polnische Staatsbürgerin und unstrittig erwerbsfähig. Sie hat abgesehen von den Einkünften aus einer Teilzeitbeschäftigung als Reinigungskraft kein Einkommen oder Vermögen.

Das Jobcenter hatte die Gewährung von Grundsicherungsleistungen abgelehnt, weil Antragstellerin nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr 2 des SGB II von diesen Leistungen ausgeschlossen sei. Ihr Aufenthaltsrecht ergebe sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche. Das Sozialgericht Berlin hat den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit der Begründung abgelehnt, die Antragstellerin sei nicht erwerbsfähig, da ihr die Aufnahme von Arbeit nicht erlaubt sei und nicht erlaubt werden könne.

Das LSG Berlin-Brandenburg hat den negativen Beschluss aufgehoben und das Jobcenter zur vorläufigen Zahlung von Hartz IV Leistungen verpflichtet.

Zur Begründung führt es aus, dass § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II diejenigen Ausländer ausschließe, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergebe. Dies treffe auf die Antragstellerin nicht mehr zu, auch wenn zur Arbeitssuche eingereist sein sollte, denn sie sei aufgrund ihrer Beschäftigung Arbeitnehmerin, für die ein Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU bestehe.

Der Arbeitnehmerbegriff des § 2 Abs 1, 2 FreizügG/EU sei europarechtlich bestimmt, da die Norm zum Inhalt hat, die den gemeinschaftsrechtlich begründeten Freizügigkeitsrechten entsprechende nationale Regelung zu schaffen. Arbeitnehmer iSv Artikel 39 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV), der VO 1612/68 bzw der Richtlinie 2004/38/EG sei eine Person, die eine Tätigkeit in einem Lohn- oder Gehaltsverhältnis ausübe. Der Begriff sei nicht eng auszulegen. Fraglich sei nur, ob eine geringfügige Beschäftigung wie hier ausreiche.

Der 10. Senat untersucht dann die Rechtsprechung zu den Mindestanforderungen an die Arbeitszeit und kommt zu dem Ergebnis, dass eine Tätigkeit von sieben Wochenstunden gegen ein wohl nicht als unüblich zu bewertendes Entgelt wie hier jedenfalls ausreicht, zumal wenn die Beschäftigung bereits für einen längeren Zeitraum „stabil“ ausgeübt wird.

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, 10. Senat, Beschluss vom 08.06.2009,
Az. L 10 AS 617/09 B ER


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